Panel 3  | Normsetzung und Normfortgeltung im humanitären Völkerrecht


©SFB 700/Johannes Klemt

Linus Mührel


Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Freie Universität Berlin

Linus Mührel ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am SFB 700 „Governance in Areas of Limited Statehood“ der Freien Universität Berlin. Dort forscht er unter der Leitung von Frau Professorin Dr. Heike Krieger zur Legitimität und Normsetzung im Humanitären Völkerrecht. In seiner Promotion widmet sich Linus Mührel der Rolle des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz in der Entwicklung des Humanitären Völkerrechts.

Linus Mührel studierte Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin mit dem Schwerpunkt „Internationalisierung der Rechtsordnung“ (Erste Juristische Prüfung, 2016). Während seines Studiums nahm er am Jessup International Law Moot Court sowie am Day of Crisis teil und absolvierte Praktika beim Generalsekretariat des Deutschen Roten Kreuzes, bei der Menschenrechts-NGO Sutyajnik in Jekaterinburg und bei SNR Dentons Berlin.

Durch seinen Wehrersatzdienst bei der Caritas Südsibirien, die Begleitung von Seminaren für Freiwilligendienste im Ausland, u.a. in Südafrika und Uganda, sowie die Leitung von Spielplatzbauprojekten in Orenburg und Barnaul (deutsch-russischer Jugendaustausch) sammelte Linus für ihn wertvolle Auslandserfahrungen.

Die Kommentare des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz im Wandel der Zeit und ihr Einfluss auf die Entwicklung des Humanitären Völkerrechts

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) veröffentlichte 2016 die zweite Auflage seines Kommentares zur 1. Genfer Konvention von 1949. Bis 2021 folgen im Jahresschritt die zweiten Auflagen der Kommentare zu der 2. bis 4. Genfer Konvention von 1949 und den Zusatzprotokollen von 1977. Mit dieser umfangreichen Aktualisierung der Kommentierungen zum Genfer Recht möchte das IKRK der Fragmentierung und Komplexität des heutigen Humanitären Völkerrechts (HVR) begegnen, um die moralischen Prinzipien, die im Genfer Recht ihren Ausdruck finden, für den Umgang mit aktuellen Herausforderungen angemessen zu artikulieren. Zudem soll zu einem weltweit einheitlichen Verständnis des HVR beigetragen werden.

Der Beitrag untersucht die Kommentierungen in der ersten und zweiten Auflage und arbeitet die wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede inhaltlicher wie methodischer Art heraus. Im Gegensatz zu den ersten Auflagen der Kommentare, welche die Verträge insbesondere anhand der travaux préparatoires erläutern, zieht das IKRK für die Interpretation im Rahmen der neuen Kommentierungen vor allem die Staatenpraxis heran. Zu Untersuchen gilt hier, wie das IKRK bei der Auslegung des Rechts vorgeht. Wie wendet es die Methoden an, die Art. 31 und 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention vorgeben, und wie gewichtet es diese? Die Interessen des IKRK, insb. dem Prinzip der Menschlichkeit in Zeiten bewaffneter Konflikte Geltung zu verschaffen, und seine eigene Rolle zu stärken, nähren indes einmal mehr den Verdacht, dass die Rechtsauslegung, wie sie in den (neuen) Kommentierungen zum Ausdruck kommt, nicht zwangsläufig dem geltenden Recht entspricht, sondern vielmehr der Vorstellung des IKRK, wie das Recht sein sollte. Welchen Einfluss diese Vorgehensweise auf das HVR haben kann, inwieweit die Kommentierungen etwa zu einer Aufweichung des Rechts beitragen, soll aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden.