Panel 3 – Normsetzung und Normfortgeltung im humanitären Völkerrecht


Tobias Ackermann


Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Ruhr-Universität Bochum

Tobias Ackermann studierte von 2009 bis 2014 Rechtswissenschaften mit einem Schwerpunkt im Europa- und Völkerrecht an der Ruhr-Universität Bochum. Während seines Studiums war er u.a. als Studentische Hilfskraft am Bochumer Institut für Friedenssicherungsrecht und Humanitäres Völkerrecht (IFHV) tätig und vertrat die Ruhr-Universität erfolgreich bei den deutschen und internationalen Rundes des Jessup Moot Courts 2013. Für seine Staatsexamensleistungen erhielt er 2014 den durch den Verein zur Förderung der Rechtswissenschaft verliehenen Fakultätspreis der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität. Seit 2015 ist er Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am IFHV. In seiner Doktorarbeit beschäftigt er sich mit dem Schutz ausländischer Investitionen in Zeiten bewaffneter Konflikte.

Die Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf völkerrechtliche Verträge im Wandel der Zeit

Der Beitrag widmet sich der historischen Entwicklung der rechtlichen Auswirkungen von Kriegen bzw. bewaffneten Konflikten auf zwischenstaatliche Verträge. Er wird aufzeigen, wie eine fest verankerte Völkerrechtsregel, namentlich der Grundsatz der Vertragsvernichtung, in ihr Gegenteil, in eine Vermutung zugunsten der Vertragskontinuität, verkehrt wurde.

Hierbei ist jedoch ein hoher Grad an Unsicherheit durch unterschiedliche Ansätze in Staatenpraxis und Völkerrechtslehre entstanden. Bis heute ist nicht abschließend geklärt, wann und inwieweit der Krieg die Fortgeltung von Verträgen oder Vertragsbestandteilen beeinflusst. Insbesondere die Wiener Vertragsrechtskonvention hat diese Problematik nicht aufgelöst, schließt sie doch die Auswirkungen bewaffneter Konflikte ausdrücklich von ihrem Regelungsbereich aus.

Gesichert ist, dass der Ausbruch eines bewaffneten Konflikts Verträge nicht mehr ipso facto beendet oder suspendiert. Auch der Artikelentwurf der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen zu den Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Verträge von 2011 basiert auf dieser Erkenntnis. Er etabliert gewisse Vermutungen, basierend unter anderem auf der Natur des in Frage stehenden Vertrages.

Diese signifikante Rechtsentwicklung ist im größeren Kontext der gewandelten Konzeption des Krieges bzw. bewaffneten Konflikts zu betrachten. Genau dieser Wandel ist es, der im heute geltenden Völkerrecht die Frage aufwirft, ob es noch angemessen ist, allein im Ausbruch eines bewaffneten Konflikts, wenngleich nicht in der Regel, einen Suspendierungs- oder Beendigungsgrund für Verträge zu sehen. Der Beitrag wird daher diskutieren, ob ein weiterer Schritt in der bemerkenswerten Rechtsentwicklung der Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Verträge angezeigt ist. Die Tendenzen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts könnten für eine Umorientierung auf das allgemeine Völkerrecht, also insbesondere auf die Regeln zur Staatenverantwortlichkeit und zum Völkervertragsrecht, sprechen.